Da wurden der Flughafen und Hamburg immer kleiner und kleiner und verschwanden letztendlich unter Decken aus Wolken. „Bitte schließen Sie die Sitzgurte und stellen Sie ihre Rücklehnen in eine aufrechte Position“, erklang es aus den Lautsprechern im Flugzeug. Einmal tief durchatmen und ich startete meine Reise ins Ungewisse. Die nächsten fünf Monate würde ich in den USA verbringen. -Genauer gesagt, auf einer kleinen Ranch in Three Rivers, Texas, einer 2000 Seelengemeinde irgendwo im nirgendwo.
Die Aufregung fing aber schon im Januar des Jahres 2010 an. Ich hatte schon immer den Traum gehabt, einmal eine Zeit lang im Ausland zu leben. Eines Tages surfte ich also im Internet, und kam durch Zufall auf die Internetseite von „into-Schüleraustausch“. Ich las unendlich viele Erfahrungsberichte im Internet über „into“, und hatte von Tag zu Tag ein immer besseres Gefühl. Hals über Kopf stürzte ich mich also in die Verwirklichung meines Traumes: In den USA bei einer Gastfamilie leben und auf eine High School gehen.
Ich bewarb mich online für ein Vorstellungsgespräch mit einem „into“-Vertreter in Bremen, und bekam schon zwei Tage später einen zu riesiger Freude führenden Anruf und Auskunft über Ort und Zeit des Treffens. Während des Vorstellungsgesprächs informierte mich der freundliche Vertreter der Organisation über alles was zu einem Auslandsaufenthalt dazu gehörte. Er machte mir auch Gefahren klar und prüfte meine Englischkenntnisse (Zugegeben, vor diesem Teil des Treffens hatte ich Angst gehabt – unbegründet. Es ist nicht die Art von Test, in dem du durchfällst, wenn du einen Fehler machst, er dient nur zur Einschätzung für den weiteren Verlauf deiner Bearbeitung). Am Ende des Gesprächs wurde ich als „geeignet“ eingeschätzt, und mir wurde gesagt, ich würde in den nächsten Tagen weitere Informationen erhalten. Ich musste meine „application forms“, was das Einholen von Schulbestätigungen, Impfbescheinigungen und Zahnarztberichten zu tun hatte, ausfüllen. Des Weiteren musste ich natürlich einen ersten Vorstellungsbrief an meine zukünftige Gastfamilie, Steckbriefe und Fotos anlegen.
Dann begann die Zeit des Wartens auf eine Gastfamilie. Es war ein Donnerstag. Ich kam ausgelaugt aus der Schule, und entdeckte einen braunen Briefumschlag mit meiner Anschrift auf dem Küchentisch. Meine Mutter hatte schon die ganze Zeit so ein komisches Grinsen auf den Lippen gehabt. Ich sah das Logo von „into-Schüleraustausch“ auf dem Umschlag, und konnte mein Glück kaum fassen: „Liebe Rebecca, wir sind glücklich dir heute deine Gastfamilie präsentieren zu können.“, stach die Einleitung des Briefes in meine Augen. Ich las weiter, dass ich eine 16-jährige Gastschwester, Darcy Ryan, hatte, und mit ihr und meinen Gasteltern, die High School – und Grundschullehrer waren, auf einer Ranch im Süden Texas leben würde.
Am 10. August 2010 sollte es losgehen! Den ganzen Sommer über war ich in engem Kontakt mit meiner Gastfamilie! Wir führten viele Videounterhaltungen übers Internet, schrieben etliche Mails und chatteten. Ich freute mich unendlich auf meine Familie in Texas! „Into“-Schüleraustausch hatte mit einer 4-tägigen Reise nach New York, bevor es zur Gastfamilie gehen würde, geworben.
Am Samstag vor meiner Abreise hatte ich ein Abschiedstreffen mit meinen Freunden organisiert. Vorher war mir gar nicht klar gewesen, was ich alles hinter mir lassen würde. Die Vorfreude auf Texas war einfach zu groß gewesen, sodass ich total über die Kehrseiten vergessen hatte! Zwei Tage und eine Menge Tränen später saß ich also im Flieger zum „La Guardia“-Flughafen außerhalb von New York. Dort waren ca. 120 Austauschschüler und fünf Returnees etwa zehn Gehminuten vom Central Park entfernt, in einem Hostel, untergebracht. In vier Tagen kann man natürlich nicht die ganze Stadt sehen, aber wir hatten ein straffes Programm inklusive vieler Sehenswürdigkeiten, Shopping-Marathons und Gemeinschaftsrunden. New York ist umwerfend!
Nach vier erfolgreichen Tagen, wurden wir in New York in den Flieger zu unserer Gastfamilie gesetzt! Ich musste einmal in Dallas/Fort Worth umsteigen, bis ich endlich am Flughafen in San Antonio ankam. Ich war so aufgeregt, als ich den Gang zwischen Flieger und Gepäckhalle hinunterlief! Plötzlich entdeckte ich meine Gastschwester und wir rannten aufeinander zu! Ich wurde mit Blumen und einem „Howdy Becci“-Schild begrüßt! Es war so schön, die „Orsaks“ in real, und nicht nur auf Bildern und verpixelten Videos zu sehen und ihre Stimmen zu hören!
In den ersten Wochen war es verrückt! Ich lernte jeden Tag neue Leute kennen, und bekam neue Eindrücke des „American Way Of Life“. Als die Schule anfing, lernte ich viele neue Leute in allen meinen Klassen kennen. An einer High School, also schon von der 6.Klasse an, ist man in einem Kurssystem. Das heißt, man hat keine Klassenverbände, sondern wählt am Anfang des Schuljahres seine Kurse. Der Stundeplan ist jeden Tag der gleiche, für mich hieß das:
American High School heißt: Schoolspirit! Jede Schule hat seine Schulfarben, für die Three Rivers High School waren diese rot und weiß! Außerdem gibt es Maskottchen für die Schulteams und wir waren die „Three Rivers Bulldogs“, oder die „Three Rivers Lady Bulldogs“! Ich war im Schul-Basketball-Team. Jeden Tag, nach der Schule, hatte ich von 16.00 Uhr bis 17.30 Uhr Basketballtraining. Es war toll eine Gruppe von Mädchen an der Schule zu haben, mit denen man jeden Tag für einige Stunden zusammen war, da man wegen des Kurssystems viele verschiedene Mitschüler in seinen Klassen hat. Mein bester Freundeskreis war also auch im Basketball-Team und natürlich meine 16-jährige Gastschwester Darcy Ryan.
Darcy und ich haben immer aufeinander gehockt, was natürlich auch zu Streitereien geführt hat, jedoch haben wir viel zusammen unternommen. Ein Faktor dafür war auch, dass wir mitten in der Walachei gewohnt haben und Darcy mit 16 schon ihren Führerschein hatte, bzw. ihn im Oktober bekommen hat. Wir haben die verrücktesten Sachen zusammen unternommen, und der Abschied von ihr nach fünf Monaten ist mir wirklich sehr schwer gefallen. Man kann dies vielleicht nicht glauben, aber es ist so als hätte ich mich von einer zweiten Familie für längere Zeit verabschiedet, verständlich, dass das nicht einfach ist.
Die Mittwoch-Nachmittage habe ich in einem Tanzsaal verbracht. Schon bevor ich in die USA gegangen war, hatte ich hier in Deutschland sehr viel Zeit mit Tanzen verbracht. Als meine Gastmutter das erfahren hat, erkundigte sie sich nach einer Tanzgruppe in Three Rivers. Ich kam also in Kontakt mit Jeannie Snider, die privat einige Tanzgruppen in Three Rivers unterrichtete. Zwar war sie eine Ballettlehrerin und ich war eher im Bereich Hip-Hop aktiv, aber dennoch wollte ich in die Tanzgruppe einsteigen, und sie machte mir sogar das Angebot, ihr an Mittwoch-Nachmittagen mit ihren jüngeren Gruppen zu helfen, sodass ich keine Kosten für meinen Unterricht hatte. Nach meiner Tanzstunde am Mittwoch-Abend fuhr Jeannie mich nach Hause, und wir wurden gute Freundinnen. Wir haben uns sogar vorgenommen, dass sie mich einmal hier in Deutschland besuchen wird, und wir zusammen nach Paris und London fahren werden. Wir hatten uns weiter und weiter auf eine Tanzshow, die im Mai stattfinden wird, vorbereitet und die Trauer war groß, denn ich bin ja schon im Januar abgereist! Plötzlich bot die Mutter eines kleinen Mädchens aus einer der Gruppen, in denen ich half an, mir ihre Flug-Meilen zu geben. Mit einer Spendenaktion sammelten wir weitere Gelder, und ich werde im Mai zur Tanzshow zurück in meine amerikanische Heimat fliegen, und auf der Tanzshow mitttanzen! Ich bin so aufgeregt und kann’s kaum erwarten, all meine Freunde, meine Gastfamilie und meine kleinen Tanzmädchen wieder in die Arme zu schließen!
Ich kann jedem, der darüber nachdenkt einen Auslandsaufenthalt zu machen, nur ans Herz legen: Trau dich und lebe deinen Traum, du wirst es nicht bereuen!