Ich wollte schon immer ein Jahr in die USA gehen, von daher war es für mich ein Traum, der in Erfüllung ging. Von Anfang an lief alles toll! Ich bekam meine Gastfamilie schon im Februar zugeteilt und erhielt ihren ersten Brief nur einen Tag nach meinem Geburtstag; besser hätte es doch nicht sein können! Von da an schrieb ich fast täglich mit meiner Gastmutter und gelegentlich mit meinem Gastvater und hatte so schon die Möglichkeit die beiden schon vor meinem eigentlichen Aufenthalt relativ gut kennen zu lernen. Ich wusste durch Bilder und Beschreibungen wie das Haus aussah, kannte die Namen der Tiere und konnte diese auch schon auseinander halten, und kannte auch schon die Namen aller meiner älteren (schon erwachsenen und ausgezogenen) Gastbrüder, sowie deren Freundinnen und Haustiere. Durch Facebook hatte ich schon Kontakt zu einem meiner Gastbrüder und dessen Freundin. Ich kam mir also schon ein halbes Jahr vor meinem Abflug so vor, als gehörte ich schon zur Familie. Da meine Gastmutter und ich auch viele gleiche Interessen haben ging uns nie der Gesprächsstoff aus. Als ich dann im August, zwei Wochen früher als eigentlich geplant, endlich zu meiner Gastfamilie flog war ich trotzdem wahnsinnig nervös. Ängste, die mir im Nachhinein lächerlich vorkommen, gingen mir nicht mehr aus dem Kopf: Was ist, wenn sie doch anders sind als ich dachte? Was ist, wenn sie mich nicht mögen? Was ist, falls sie überhaupt nicht da sind?? All die Ängste wurden in dem Moment beseitigt, als ich aus dem Flugzeug kam und ich sie mit einem riesigen Lächeln im Gesicht dort stehen sah. Auf ging's zu dem Ort, den ich für die nächsten 10 Monate mein Zuhause nennen sollte. Nach einer verhältnismäßig kurzen Fahrt (etwa 1 Stunde) waren wir endlich da. Kaum waren wir ausgestiegen fing auch schon das große Bellen an. Meine Gastfamilie hat zwei Hunde: eine Labrador-Hündin und einen Great Pyrenees. Sobald die Haustür geöffnet worden war (und zwar nicht wie hier in Deutschland üblich mit einem Schlüssel, sondern einem Zahlencode) kam ein weißes Etwas auf mich zu. Ein weißer, riesiger, bellender Hund dicht gefolgt von einem kleineren gelblichen. Meine Familie hatte mir schon gesagt, dass Willy, der Great Pyrenees, ein sehr großer aber lieber Hund, und Abby, der Labrador, zwar klein aber lebhaft war, von daher war der plötzliche Moment zwar im ersten Augenblick unerwartet aber nicht erschreckend. Nachdem wir mein ganzes Gepäck im Haus verstaut und noch kurz geredet hatten, ging es dann auch schon ins Bett.Am nächsten Tag gingen wir direkt zu einem Softballgame meiner Gastbrüder, wo ich dann direkt die halbe Familie kennen lernte. In den nächsten zwei Wochen traf ich auch noch die zweite Hälfte der Familie und hatte viel Mühe mir alle Namen zu merken und sie nicht zu vertauschen.Nach diesen zwei Wochen "Schonfrist" kam der lang erwartete aber auch gefürchtete erste Schultag. Meine Mutter brachte mich zur Schule um die ganzen formellen Sachen abzuklären. Ich war zwar in den Ferien einmal kurz in der Schule gewesen um meine Fächer zu wählen und hatte dabei auch die Schule gezeigt bekommen, hatte aber leider wieder vergessen wo sich die ganzen Fachräume befanden. Die Schule war zwar nicht sonderlich groß, aber ich tat mich trotzdem schwer, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Zum Glück zeigten alle Lehrer viel Verständnis und einige meiner Mitschüler, die ich schon kennen gelernt hatte, zeigten mir den richtigen Weg. Schon am ersten Tag kamen unglaublich viele Leute auf mich zu, wollten mit mir reden und waren einfach unheimlich nett. Beim Mittagessen fragten mich Leute, die ich wahrscheinlich nicht angesprochen hätte, ob ich bei ihnen sitzen wolle. Weil ich nicht unhöflich sein und mich auch nicht einfach irgendwo anders dabei setzen wollte, sagte ich ja. Sie waren etwas merkwürdig, was man nicht falsch verstehen sollte, denn sie waren trotzdem sehr nett. Ich würde sie nicht als die typischen Außenseiter beschreiben, denn viele der anderen mochten sie und verstanden sich gut mit ihnen, aber trotzdem kapselten sie sich irgendwie ab. Im Laufe der nächsten Wochen fing ich an immer mehr mit den anderen befreundet zu sein, mit denen ich mehr Gemeinsamkeiten hatte, blieb aber trotzdem mit ihnen befreundet und ging zum Beispiel auch mit ihnen zu Homecoming. Homecoming war großartig. Es war nur etwa drei Wochen nachdem die Schule angefangen hatte und ich kannte zwar schon viele Leute, mit denen ich mich auch gut verstand, aber wahnsinnig gut befreundet war ich natürlich noch mit niemandem. Daher war ich froh, dass ich mit einer größeren Gruppe zusammen gehen konnte. Ich fand alles sehr faszinierend, schließlich war ich noch nie auf so einer Veranstaltung gewesen. Es wurde viel getanzt, sowohl schnell als auch langsam, und wir hatten generell viel Spaß. In den darauf folgenden Wochen und Monaten fing ich an, an einigen Aktivitäten teilzunehmen. Ich hatte Chor schon als Unterrichtsfach, und schloss mich zusätzlich noch dem außerschulischen Show Choir an. Zudem fing ich an bei der Theatergruppe mitzumachen. Ich unternahm viel mit meinen Freunden: wir gingen shoppen, fuhren ins Kino, hatten Pyjama Parties, fuhren im Winter Schlitten, und so weiter. Es war eine tolle Zeit. Im Frühling startete ich mit Track and Field, wofür wir jeden Tag zwei Stunden Training hatten. Für mich, einer eher unsportlich Person, war das ganz schön hart, aber ich hatte auch viel Spaß mit den anderen Leuten im Team, und fühlte mich zum Ende hin, so fit wie nie zuvor. Jede Woche fuhren wir zu zwei Turnieren, bei denen auch jeder mitmachen musste. Ich sprintete, lief in einer Staffel, stieß Kugel und warf Diskus. In meiner Zeit in Track and Field fiel mir ein großer Unterschied zwischen den Deutschen und den Amerikanern auf: niemand wurde je ausgelacht! Wenn jemand in Deutschland etwas nicht kann, gibt es mindestens eine Person, die sich darüber lustig macht. In Amerika lachte niemand, sondern wurde die Person ermutigt weiter zu machen und angefeuert, und wurde gelobt wenn sie sich auch nur das kleinste bisschen verbesserte. Diese Mentalität war der Grund, dass ich Track and Field so liebte, auch wenn ich meistens die Person war, die ermutigt und angefeuert werden musste.Zu meinem Geburtstag im Februar wurde eine Party für mich organisiert, was ich unheimlich süß fand. Meine Mutter hatte mir eine wahnsinnig schöne Prinzessinnentorte gekauft (ich war immer die "kleine Prinzessin" in meiner Gastfamilie, da ich das einzige Mädchen war und meine Mutter daher meinte, mich immer verwöhnen zu müssen) und alle meine Freunde kamen zu mir nach Hause, wo wir einen lustigen Abend hatten. Ich bin ein Mensch, der sich für Überraschungen begeistern kann, von daher kam ich an diesem Abend voll auf meine Kosten. Erstens die Party, zweitens ein wunderschönes Kleid für Winterfest von meiner Gastfamilie, und viele kleinere Geschenke von meinen Freunden.Zu Winterfest ging ich dann mit anderen Leuten als bei Homecoming. Ich fuhr zu einer Freundin, wo wir uns zusammen fertig machten und von wo aus wir zusammen zu dem Restaurant fuhren wo wir uns mit den anderen trafen. Wir waren eine wirklich große Gruppe und hatten daher einen Raum nur für uns. Ich war mit dem anderen deutschen Austauschschüler im Winterfest-Court und war daher relativ aufgeregt, doch genau dadurch wurde der Abend auch unvergesslich. Die ganze Schule guckte nur uns an, was einerseits relativ beängstigend war, andererseits auch toll. In so einem Moment fühlt man sich entweder großartig oder furchtbar: ich fühlte mich großartig! Ein paar Wochen danach hatte die Agriculture class meiner Jahrgangsstufe ihre Talentshow um Geld für ihren zweiwöchigen Trip nach Hawaii im nächsten Jahr zu sammeln. An sich wollte ich mir die Show, die mit einem Spaghetti-Essen verbunden war, nur ansehen. Einige Stunden vorher jedoch, als ich für eine Chorprobe an dem, normalerweise schulfreien, Tag in der Schule war, kam die Fachlehrerin auf mich zu und fragte mich, ob ich nicht ein deutsches Lied vorsingen wollte. Ich singe zwar sehr gerne, aber ungern vor mehreren hundert Leute, ohne es gut vorbereitet zu haben. Nachdem sie mich eine halbe Stunde bearbeitet hatte, sagte ich zu. Ich hatte schon ein Lied im Kopf, das ich fast komplett auswendig kann und brauchte also nur noch eine Begleitung finden. Mein Chorleiter war mittlerweile nach Hause gegangen, also konnte ich nicht mehr auf seinen Computer zugreifen, auf dem zu sehr vielen Liedern die Begleitung ist. Da er auch nicht zu der Show kam, wurde kurzerhand beschlossen, dass ich das Lied a capella singen sollte. Nachdem ich das Lied für den Rest des Tages vor mich hingesungen hatte, kam dann der Moment als ich auf die Bühne musste. Vor mir waren schon einige andere Leute aufgetreten, von denen auch einige gesungen hatten, manche davon sehr sehr gut. Ich war also auch dementsprechend nervös. Als ich auf der Bühne war und alle mich anguckten war ich dermaßen aufgeregt, dass ich etwa die hälfte des Textes vergaß und die erste Strophe einfach zwei mal sang. Im Endeffekt war das ja ziemlich egal, da mich sowieso niemand verstand und daher auch niemand wusste ob ich etwas ein oder zwei mal gesungen hatte.Bald darauf kam Prom. Ich hatte mich schon ewig darauf gefreut und war schon früh mit einer von meinen Freundinnen Kleider kaufen gegangen. In meinen Augen war mein Kleid das schönste und zwar traditionell, aber auch einzigartig. Bis eine meiner anderen Freundinnen auf mich zu kam und meinte " Ich glaube ich hab das gleiche Kleid in einer anderen Farbe!". Das fand ich nicht toll, aber es störte mich noch nicht sonderlich. Bis eine meiner besten Freundinnen zu mir kam und mir erzählte, dass sie sich genau das gleiche Kleid gekauft hatte, obwohl ich ihr meines erst einen Tag vorher im Internet gezeigt hatte. Da war ich doch leicht sauer, aber was sollte ich machen? Mir ein neues Kleid zu kaufen hätte ich übertrieben gefunden! Und es war ja auch nur ein Kleid und nichts das super wichtig gewesen wäre. Den Tag vor Prom dekorierten wir Juniors alle zusammen die Sporthalle zum Thema Candyland. Alles wurde in pudrigen Tönen gehalten. Alles sah aus, als käme aus dem Brettspiel selbst. Leider erfuhr ich an dem Tag auch, dass ich eine Bindehautentzündung hatte und hoch ansteckend war. Also musste ich abends noch ins Krankenhaus, mich nochmal diagnostizieren lassen und dann ein Medikament abholen, das mich binnen 24 Stunden nicht mehr ansteckend lassen werden sollte. Zu Prom selbst ging ich mit einem meiner Freunde. Er holte mich zu Hause ab, wo wir erst Bilder machten und von wo aus wir zu einem wunderschönen Park fuhren, wo wir etwa die hälfte unserer Stufe trafen um noch zusammen Bilder zu machen. Es war eher frisch und wir Mädchen froren alle in unseren ärmellosen Kleidern und mussten uns zusammenreißen die ganze Zeit nett zu lächeln. Nachdem alle Eltern gefühlte 10 000 Bilder gemacht hatten ging es in ein richtig schickes Restaurant. Als wir später zurück zu Schule fuhren war ich schon ganz hibbelig. Ich konnte es kaum erwarten zu erfahren, wer Prom King und Queen werden sollte. Drei von meinen besten Freundinnen waren im Court und auch mit allen Jungs war ich gut befreundet. Nachdem alle Paare eingelaufen waren, wurde verkündet, dass meine beste Freundin und ihr bester Freund King und Queen waren. Danach tanzten wir bis etwa halb 1 Uhr morgens, wo dann Post Prom anfing. Unsere Mütter hatten diesen Lock In organisiert und hatten viele lustige Spiele aufgebaut. Außerdem gab es ein Völkerballturnier und viele Preise zu gewinnen. Es war mindestens genauso gut wie Prom selbst!Danach ging die Zeit bis zum Ende viel zu schnell herum! Obwohl ich viel mit meinen Freunden unternahm hatte ich immer das Gefühl, nicht mehr genug Zeit zu haben um ALLES zu machen was ich noch machen wollte. Ich fuhr mit einer meiner Freundinnen zum Mall of America, ging mit Freunden im Mississippi schwimmen und Jetski fahren, ging mit meiner Gastmutter ausreiten, angelte mit meinem Gastvater und hatte generell einfach eine gute Zeit. Da meine Eltern mich gerne noch besuchen und mit mir durch Amerika reisen wollten, verschoben wir den Flug um drei Wochen, in denen wir zwei davon an der Ostküste entlang reisten und in der dritten Woche zurück zu meiner Gastfamilie fuhren. Meine Eltern und meine Gasteltern verstanden sich so gut, dass sie seither immer noch in Mail-Kontakt sind. Zwei Tage vor unserer Abreise zurück nach Deutschland veranstalteten wir eine große Good Bye Party. Alle meine Freunde kamen, wir grillten Marshmallows, saßen um ein Lagerfeuer, hatten Musik, und einfach noch einmal einen tollen letzten Abend, an dem ich mich von allen verabschieden konnte. Am Tag darauf war der 4te Juli. Es für uns alle ein sehr besonderer Tag, da es erstens der Nationalfeiertag, zweitens mein letzter Tag in Amerika, und der Geburtstag meiner Mutter war. Alle Verwandten meiner Gastfamile kamen zu Besuch, wir hatten ein riesiges Buffet uns zum Schluss noch ein halbstündiges Feuerwerk. Ich hätte keine besseren letzten Tage haben können!! Zurück in Deutschland fiel es mir nicht schwer mich wieder einzuleben. Mittlerweile ist alles so als wäre ich nie weggewesen. Ich vermisse zwar meine Gastfamilie und meine Freunde, aber es ist nicht so schlimm, da ich schon weiß, dass meine Gasteltern mich zu meinem 18ten Geburtstag besuchen kommen, ich sie wahrscheinlich zu Ostern besuchen werde und eine meine Freundinnen im Sommer zu mir kommt. Ich habe jetzt selber eine Austauschschülerin aus Venezuela uns schreibe, telefoniere und skype regelmäßig mit meiner Gastfamilie und meinen Freunden. Es war definitiv eine der tollsten Zeiten meines Lebens und ich würde es direkt wieder machen und es auch jedem anderen empfehlen ein solches Auslandsjahr zu machen!