Ein halbes Jahr Irland. Freundliche Menschen, grüne Landschaften, Schafe, Kartoffeln, lange Feiern, Kobolde, Elfen. Wenn man an Irland denkt, hat man sofort ein bestimmtes Bild im Kopf, doch was ich gefunden habe, hat alle meine Vorstellungen übertroffen. Deutschland hinter sich zu lassen war nicht leicht, doch als ich am Cork Airport meine irische Familie mit einem Willkommensschild stehen sah, waren die Abschiedstränen schon längst vergessen. Sofort plauderten meine jüngeren Gastgeschwister drauf los und löcherten mich mit Fragen. Meine erste Erfahrung mit dem „Cork-Accent“, der in ganz Irland unverwechselbar ist und den ich nach meinem Austausch mit nach Hause nehmen würde. Am Anfang musste man noch genau hinhören, aber nach und nach kam mir die „singende“ Aussprache der „Corkpeople“ ganz normal vor. Der erste Abend in Carrigaline war aufregend. Alle saßen zusammen am Tisch und nachdem ich die Gastgeschenke überreicht hatte, waren Gesprächsthemen ganz leicht zu finden. „Tea and coffee“ waren natürlich auch dabei und ein paar Kekse durften sowieso nicht fehlen. Später kam dann auch meine Austauschschwester an: Dara aus Italien. Wir haben uns ein Zimmer geteilt, sind mit dem selben Bus zur Schule, saßen in der selben Klasse, mit dem gleichen Bus wieder zurück und dann ab nach Hause. 24 Stunden mit einer Person zusammen zu sein, die man vorher nicht kannte, war eine Herausforderung. Doch ich würde es für Nichts auf der Welt ändern wollen. Ich habe eine sehr gute Freundin gefunden und während unsere Zeit in Irland gab es immer jemanden der für mich da war. Ob bei Heimweh, Problemen in der Schule oder anderen Dinge. Am nächsten Tag ging es dann direkt los. Schuluniformen mussten gekauft werden und wir lernten unseren Schulweg kennen. Einen Tag später war es dann soweit. Der erste Schultag stand vor der Tür. Meine neue Schule St. Aloysius war eine katholische Mädchenschule. Doch die Umstellung war nicht so groß, wie man vormuten würde. Zwar wurde vor dem Unterricht gebetet und manche Lehrer forderten die strikte Beachtung der strengen Schulordnung, doch ich habe mich schnell an alles gewöhnt. Ich war unglaublich aufgeregt meine Mitschülerinnen kennen zu lernen. Brauchte ich aber gar nicht. Alle Austauschschüler wurden direkt herzlich aufgenommen und jeder, der sich bemühte, hatte auch schnell ein paar irische Freunde gefunden. Wenn man selbst etwas Mühe in seinen Auslandsaufenthalt reinsteckt, dann kriegt man ein Vielfaches davon zurück. So war es auch bei mir. Schnell hatte ich einen neuen Freundeskreis, eine Mischung aus Mädchen aus meiner neuen Schule, anderen Austauschschülern und einigen Iren aus Carrigaline.Mit dieser Truppe sollte ich in den nächsten Monaten viel Spaß haben. Und den hatte ich auch mit meiner Gastfamilie. Die Chemie hat eindeutig gestimmt. Nach einer kurzen Anlauf- und Kennlernzeit, hatte ich meine zweiten Eltern gefunden. Nach fast jedem „dinner“ saßen wir noch zusammen bei „coffee and tea“ und haben uns über alles mögliche unterhalten. Es waren gemütliche Stunden, die ich niemals vergessen werde. Und auch jetzt noch, mehr als zwei Jahre nach meinem Irlandaustausch, halte ich Kontakt zu meiner Gastfamilie. Wir besuchen uns gegenseitig und über facebook tauschen wir die „latest news“ aus. Was ich vorher nie gedacht hätte, ist dass ich fast jeden Sonntag in der Kirche sein würde und noch dazu im „Youth Choir“ mitsingen würde. Ich war für alles offen und als mich meine Gasteltern fragten, ob ich mit in die Kirche will, war ich sofort dabei. Eine ganz neue Erfahrung, die mit meinen kirchlichen Erfahrungen in Deutschland wenig gemein hatte. Kirche in Irland erinnert eher an ein Treffen mit Freunden. Kerle in Jogginghosen und verkaterte Studenten sitzen neben Familien und den Dorfurgesteinen. Gesungen wurde „Where is the love“ von den Black Eyed Peace und nach der Kirche hat man sich mit dem Pfarrer über die letzte Party unterhalten. Immer ein schöner Start in den Sonntag. Während den fünf Monaten in Carrigaline, habe ich auch vom restlichen Irland einen kleinen Teil gesehen. Der Strand in Fountainstown, der Hafen in Crosshaven, die Innenstadt von Cork und das berühmte Blarney Castle waren unter den Ausflugszielen. Zweimal habe ich eine Tagestour nach Dublin gemacht, die anstrengend, aber schön waren. Und da ich einmal Blut geleckt hatte, bin ich seitdem noch ein paar Mal an anderen Orten Irlands gewesen und habe jedes Mal wunderschöne Landschaften und freundliche Menschen getroffen.Freundlich sind die Iren wirklich. Wenn mich jemand danach fragt, fällt mir immer eine besondere Geschichte ein. Ich stand mit zwei Freunden an unserer Bushaltstelle. Wir waren spät dran und haben auf den Bus gewartet. Plötzlich hält ein Auto an und der Fahrer, sagt uns dass der Bus schon zwei Haltestellen weiter steht. Wir wollen gerade losrennen, um den Bus noch zu erwischen, da bietet uns der Fahrer an, uns eben bis dorthin zu fahren. Den Bus haben wir dann noch gekriegt und uns gewundert über die Offenheit und Freundlichkeit der Iren. Die schönste Zeit in Irland war Weihnachten. Ich habe vorher gedacht, mich würde eine Heimwehwelle übermannen, doch die Weihnachtstagen waren unvergesslich schön. Ich hatte mich schon richtig eingelebt und war ein Teil der Familie. Das hat man an Weihnachten dann ganz deutlich gemerkt. Ich war ein richtiges Familienmitglied geworden. Die irischen Traditionen waren neu und aufregend für mich. Ein Weihnachtsfest, das ich nie vergessen werde. Irland war einfach wunderbar. Ich habe immer noch hin und wieder Fernweh und freue mich immer schon auf meinen nächsten Trip nach Carrigaline. Meine Gasteltern sind zu Freunden geworden, die ich niemals verlieren will. Und auch meine Eltern aus Deutschland haben meine irische Familie lieb gewonnen. Zurück nach Deutschland zu kommen war auch eine tolle Erfahrung. In meinem alten Freundeskreis war sofort wieder alles wie vor meiner Abreise. Nichts hatte sich verändert – außer mir. Denn ein halbes Jahr in einem anderen Land verändert einen, doch man bleibt immer noch der gleiche Mensch und wahre Freunde wissen das. Einige Monate in Irland zu verbringen, war eine der besten Entscheidungen meines Lebens. Ich durfte so viele schöne und neue Erfahrungen machen und ich beneide all diejenigen, die ihren Auslandsaufenthalt noch vor sich haben.