Ich kann mich noch genau daran erinnern, als ich einen Stift in die Hand nahm und angestrengt versucht habe einen Brief zu verfassen, der wenige Monate später an meine zukünftige Gastfamilie gesendet werden würde. Denn wie fängt man an einen Text zu schreiben, der sich nur um eines dreht: mich. Begriffe wie fröhlich, unpünktlich, optimistisch und tollpatschig treffen zwar recht gut auf mich zu, beschreiben meine Persönlichkeit jedoch nur sehr oberflächlich. Natürlich versucht man sich nur von der besten Seite zu präsentieren, muss allerdings auch ein paar negative Eigenschaften einbeziehen. Nach mehreren Anläufen gelang es mir dann doch ein halbwegs gutes Portrait zu schreiben und ein halbes Jahr später wurde ich mit einer Gastfamilie belohnt. Es waren genau zwei Tage vor den Sommerferien und meine Aufregung war zum Zerreißen gespannt. Ich öffnete mein Emailprogramm und dachte schon ich würde erneut enttäuscht auf ein leeres Postfach blicken, als ich die lang ersehnte Email von into sah. Sie enthielt ein Informationsblatt über meine Gastfamilie und einen Brief über die Familienmitglieder und meine neue Schule. Zu meiner Enttäuschung las ich nur die Namen Sara und Paul, demnach glaubte ich, keine Gastgeschwister zu haben. Wenig später bestätigte sich diese Vorahnung jedoch nicht, da sich herausstellte, dass meine Gastfamilie eine weitere Austauschschülerin aufnehmen würde, nämlich Hallie aus Chicago.
Die letzten Wochen vor dem Abflug nach England stellten meine Gefühle auf eine harte Probe, denn von traurig, über aufgeregt bis hin zu ausgesprochen glücklich war alles mit dabei. An der Abschiedsfeier, die ich mit einer meiner besten Freundinnen feierte, die sich ebenfalls auf ein Auslandsjahr in England freute, wurden mehrere Packungen Taschentücher geleert und die Hälfte der Zeit ging für Umarmungen drauf. Bald saß ich dann auch schon im Flugzeug und die beste Zeit meines Lebens stand mir bevor!
Die folgenden Tage verbrachte ich in London bei dem Orientation Camp. Besuche im Madame Tussauds, dem London Eye, auf dem Camden Market und einer Schifffahrt auf der Themse bildeten den perfekten Start in mein neues Leben. Der letzte Morgen in London stellte sich als besonders stressig heraus, da ich nach einer kurzen Nacht sehr früh aufstehen musste und mit fünf anderen Mädchen zum Busbahnhof gefahren wurde. Zwei Stunden später saßen wir in einem Langstreckenbus, der uns nach Stoke-on-Trent fahren sollte. Nach einigen Stunden erreichten wir unser Ziel und kurze Zeit später fand ich mich selbst in einem kleinen Taxi wieder, in dem ich endlich meine Gastschwester kennen lernte. Der Moment in dem ich die Tür des Autos aufmachte und meiner neuen „Schwester“ gegenüberstand war unbeschreiblich. Hallie und ich verstanden uns auf Anhieb super und so fühlte sich die 10-minütige Autofahrt in den Vorort Penkhull wie eine Sekunde an. Als wir in eine Straße einbogen, sah ich meine Gastmutter in der Tür ihres Hauses stehen und winken. Sie begrüßte uns herzlich und innerhalb weniger Minuten hatte ich das Gefühl sie schon seit Jahren zu kennen. Während Sara uns also die Zimmer des typisch englischen Hauses zeigte, fühlte ich mich endlich angekommen.
Zwei Tage später verließen Hallie und ich das Haus, um zum ersten Mal unsere Schule zu sehen und unser neues Leben so richtig zu beginnen. Zwar dauerte unsere Anfahrt mehr als eine Stunde, da wir mit dem Bus fuhren und einmal umsteigen mussten, doch das interessierte uns wenig. Alles war so aufregend, dass selbst die Busfahrt ein interessantes Highlight darstellte. Endlich angekommen trafen wir auf die Oberstufenkoordinatorin, die uns sehr herzlich in Empfang nahm. Alles war perfekt.
Die folgenden Tage und Monate stellten sich als nicht weniger schön und aufregend heraus. Meine Gastfamilie, die schon erwachsenen Töchter meiner Gastmutter und Hallie waren einfach das Beste, das ich mir hätte wünschen können. Wir machten Ausflüge nach Liverpool, Chester und Bristol, besuchten einen Volkstanz, gingen Essen, besuchten andere Familienmitglieder, gingen auf ein Fußballspiel und kochten zusammen. Jedoch war der gemeinsame Urlaub von Paul, Sara, den zwei Töchtern und ihren Ehemännern, Hallie und mir eine der schönsten Wochen in den fünf Monaten. Wir buchten ein Ferienhaus in Bolten-on-the-water und hatten unbeschreiblich viel Spaß. Jedoch bin ich auch froh viele Freundschaften geschlossen zu haben und Hallie als eine meiner besten Freundinnen benennen zu dürfen. Darüber bin ich besonders glücklich, da ich sie 24 Stunden täglich gesehen habe und wir nicht nur die Familie, sondern auch noch die Schule teilten.
Ich bin mir sicher, dass ich nichts Besseres hätte machen können und dass ich die Zeit in England nie vergessen werde. Es ist noch schöner geworden, als ich es mir jemals vorgestellt habe und ich würde jederzeit zurückgehen, um meine Freunde und die für mich perfekte Gastfamilie wieder zu sehen. Nun bleibt mir nur noch an die noch Zweifelnden zu sagen: Don’t dream it! Do it! :)