Gefühlt habe ich die Nacht vor meinem Abflug überhaupt nicht geschlafen. Und nach einem halb von Traurigkeit, halb von Vorfreude geprägtem Abschied von der Familie am Flughafen, habe ich im Flieger nach London Heathrow dann die Getränkeausgabe verpennt, was angesichts des Flüssigkeitenverbots nicht gerade vorteilhaft war. Dennoch war dies bei der Ankunft schnell vergessen, denn es warteten 4 Tage London Orientation Camp mit über 100 Austauschschülern auf mich. Diese vier Tage stellten den perfekten Einstieg in ein aufregendes halbes Jahr dar und „ I fell in love with London“ - dieser lebendigen Großstadt. Zwischen Shopping und Sight-seeing habe ich hier noch einmal Kontakte zu Austauschschülern geknüpft, die auch heute, zwei Jahre später, noch bestehen. Angekommen bei meinen Gasteltern, beide über 60 Jahre alt, brachte ich in den ersten Tagen kaum ein Wort heraus. Doch schnell habe ich sie kennen und lieben gelernt, gemerkt, dass hier gar kein langweiliges „Großeltern-feeling“ aufkommt und bis heute noch besuche ich sie. Die Schule war, neben den Gefahren des Linksverkehrs und der Erkenntnis, dass die Busse entgegen des deutschen Pünktlichkeitsempfindens nie dann kommen, wann sie plangemäß sollten, die größte Umstellung für mich: Ein halbes Jahr auf Jeans und T-Shirt verzichten und stattdessen eine Schuluniform tragen, das war gewöhnungsbedürftig aber auch eine interessante Erfahrung. Über die Schule habe ich auch die meisten Freunde gefunden und konnte mich schnell integrieren. So wurde die als spießig empfundene Schuluniform mitunter zum verbindenden Element. Trotz alles Positiven, kam mit dem Alltag irgendwann auch Heimweh auf, das jedoch leichter zu ertragen und schnell vergessen war, wenn meine Gastmum mich lieb in den Arm genommen hat. Also während ich den Schulalltag meisterte, meinen ersten Essay schrieb, den Bus mal wieder verpasste, Shoppen in Cardiff und Birmingham, auf zahlreichen „Sleep-overs“ nicht schlief und nebenbei mein Englisch verbesserte, habe ich unbezahlbare Erfahrungen gesammelt und tolle Menschen kennen gelernt. Seiher leide ich unter unheilbarer „Anglophilie“ and kann es jedes Mal kaum erwarten, wenn ich meiner nun zweiten Heimat mal wieder einen Besuch abstatte. Aber auch für andere Länder und Kulturen hat mich dieses halbe Jahr offener gemacht und ich würde gern bald ein neues, ähnliches Abenteuer wagen.