… denn für mich stand schon sehr früh fest: „Ich will Spanisch lernen!“ Und wo kann man das schon besser als im Süden Amerikas, bei den für uns so „exotischen Latinos“? Gut, damit stand der Kontinent fest, jetzt musste nur noch das passende Land her. Vielleicht Bolivien?? – hmm… Oder Ecuador? – weiß nicht… Brasilien? – zu portugiesisch das Spanisch. Aber Argentinien… warum eigentlich nicht? Bei dem Entschluss ist es dann auch geblieben und nach der Überwindung unglaublich bürokratischer Einreiseformalitäten, die der USA Konkurrenz machen könnten, stand ich schließlich am 01.08.2008 auf argentinischem Boden, wo ich mit überschwänglicher Freude von meiner Gastfamilie empfangen wurde. Anfangs war das Chaos groß, denn weder meine Gastfamilie noch ich befanden uns jemals in einer ähnlichen Situation und wussten uns nicht angemessen zu verhalten. Auch mein überaus bescheidener Wortschatz trug nicht wirklich dazu bei, alles einfacher zu machen – über „hola“, „me llamo Leo“ und „tengo hambre“ kam ich nicht hinaus. Deshalb mussten wir uns, wie man so schön sagt, zunächst mit Händen und Füßen verständigen. Nach einem Wochenende Vollprogramm im Kreise meiner Gastfamilie (inklusive Anschaffung einer Schuluniform) ging es dann zum ersten Mal in die Schule. Als ich am Montagmorgen aufstand, konnte ich noch nicht ahnen, was mich an diesem Tag erwarten sollte. Aufgeregt war ich natürlich, denn das war der Tag, an dem ich diejenigen kennen lernen sollte, mit denen ich das ganze nächste Jahr verbringen würde. Ich hatte gehofft, dass sie auf mich zukommen, mich ansprechen und nicht total ignorieren würden… wenigstens einige. Doch als ich das Klassenzimmer betrat und sofort ALLE um mich herumstanden, auf mich einredeten, mich mit Fragen löcherten und mich herzlich Willkommen hießen, wusste ich, dass meine Sorgen unbegründet gewesen waren. Ungefähr so ging es dann auch die nächsten 3 Monate weiter. Egal wo ich auch war, immer stand ich im Mittelpunkt. Scheinbar schien mich jeder zu kennen. Diese Tatsache breitete sich auch schnell über ganz Maipú aus, meine neue Heimat, ein Ort mit ca. 250.000 Einwohnern, gelegen in der westlichen Provinz Mendoza. Für mich war es ein Phänomen! Kaum zu glauben, dass sich die Nachricht der Anlunft einer deutschen Austauschschülerin schon so schnell rumgesprochen hatte. Im Laufe des Jahres nahm die Aufregung um meine Person aber etwas ab und an die immer noch vereinzelten neugierigen Blicke konnte ich mich dann auch schnell gewöhnen. Allerdings musste ich erleben, dass es etwa ein halbes Jahr dauerte, bis ich mich vollends wohlfühlte. Der „Kulturschock“, die Sprache – vieles hat seinen Teil dazu beigetragen, dass ich mich trotz der Aufgeschlossenheit der Argentinier nicht ab dem ersten Tag wie zu Hause fühlen konnte. Doch nach einem halben Jahr ging es bergauf. Aus anfänglich noch kleineren Bekanntschaften wurden enge Freundschaften, mein Vokabular wuchs stetig, ich hatte die Namen meiner über 100 Verwandten (fast) alle gelernt und behalten (mein Gastvater hat 5 Geschwister, meine Gastmutter 8, die alle schon wieder Kinder und Enkelkinder hatten) und an das kühle regnerische Deutschland dachte ich kaum noch. Denn mittlerweile war Sommer in Argentinien. Bei 3 Monaten Ferien und Temperaturen zwischen 32 und 39°C konnte ich es mir gut gehen lassen. Während der Ferien, und zum Teil auch während der Schule, konnte ich auf mehreren Reisen die Schönheit und Vielfalt des Landes, der verschiedenen Einwohner und Kulturen entdecken. Im Nordwesten Argentiniens erhielten wir einen Einblick in das Leben der Inkas, sahen im südlichen Patagonien die „Schweiz Südamerikas“ und im Norden bei der Grenze zu Brasilien die wohl schönsten Wasserfälle der Welt, „las cataratas de Iguazú“. In meiner Heimatprovinz Mendoza verbrachte ich eine Woche gemeinsam mit Gauchos, zog mit ihnen und einer Horde von 30 Pferden durch die Anden und übernachtete in den entlegensten Ecken, wo man nur zu Pferd hinkommen konnte. Natur Pur! Und ein Stück Kultur noch dazu, denn Gauchos sind DIE Kultfiguren Argentiniens überhaupt! Die zweite Hälfte meines Argentiniens-Abenteuers verging dann natürlich viel zu schnell. Ehe ich mich versah, war es auch schon Zeit fürs Kofferpacken und ein Verabschiedungsmarathon begann. Am Morgen des Rückflugs als meine Gastfamilie mich zum Flughafen brachte, überkam mich die Verzweiflung. „Werde ich diese Menschen, die mir so sehr ans Herz gewachsen sind, jemals wieder sehen?“ „Soll es das jetzt wirklich schon gewesen sein?“ Unter zahlreichen Tränen und Versprechungen gegenseitiger Besuche war es Zeit, sich „Auf Wiedersehen“ zu sagen, denn ein „Leb Wohl“ stand außer Frage. Wenn ich heute an die Zeit in Argentinien zurückdenke, bin ich sehr glücklich, genau dieses Land gewählt zu haben. Die Offenheit der Argentinier und die Art und Weise wie sie mich aufgenommen haben, überrascht mich noch immer und stimmt mich undenkbar glücklich. Für den Rest meines Lebens werde ich eine zweite Familie, viele Freunde und über 100 Cousins und Cousinen mehr haben. VIVA ARGENTINA!!!